Felix Mendelssohn Bartholdy
(1809–1847)
Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56
«Schottische»
Das Reisen spielte eine entscheidende Rolle im privaten und künstlerischen Leben von Felix Mendelssohn Bartholdy. Unterwegs sog er die verschiedenen Kulturen, Sitten, Gebräuche und Landschaften regelrecht auf. Zahlreiche dieser Eindrücke dienten ihm als Inspiration für seine Werke. Diesem Umstand verdankt die Sinfonie Nr. 3 ihre Bezeichnung als «Schottische». Obwohl sie nicht von Mendelssohn selbst stammt, verdeutlicht sie doch, dass das Werk eng mit Schottland verwoben ist.
Schottische Historie und Geistesblitz
Mendelssohn begann mit der Komposition der dritten Sinfonie, als er sich als 20-Jähriger auf einer Reise durch Schottland befand, die er mit seinem Freund, dem deutschen Diplomaten und Schriftsteller Carl Klingemann (1897–1862), unternahm.
Zunächst verlief die Reise anscheinend eher enttäuschend, denn er schrieb an seine Eltern:
«Gestern war ein guter Tag, d.h. ich wurde nur dreimal nass, und sah die Sonne ein paar mal durch die Wolken; von schlechten Tagen nun hat man keine Vorstellung»
Nach der Besichtigung des Holyrood Palace in Edinburgh, also der offiziellen Residenz des britischen Königs bzw. der Königin in Schottland, berichtete er dann jedoch aufgeregt im Juli 1829:
«In der tiefen Dämmrung gingen wir heut nach dem Pallaste wo Königinn Maria gelebt und geliebt hat; es ist da ein kleines Zimmer zu sehn mit einer Wendeltreppe an der Thür; da stiegen sie hinauf und fanden den Rizzio im kleinen Zimmer, zogen ihn heraus, und drei Stuben davon ist eine finstre Ecke, wo sie ihn ermordet haben. Der Kapelle daneben fehlt nun das Dach, Gras und Epheu wächst viel darin, und am zerbrochnen Altar wurde Maria zur Königinn von Schottland gekrönt. Es ist da alles zerbrochen, morsch, und der heitre Himmel scheint hinein. Ich glaube, ich habe heut da den Anfang meiner Schottischen Symphonie gefunden.»
Die Mischung aus imaginierter Geschichte und eigenen Eindrücken von der Landschaft, deren «ungewönlich, ungastliche Einsamkeit» Mendelssohn andernorts etwa beschreibt, war der Auslöser für die Komposition – und übrigens auch für die «Hebriden»-Ouvertüre, die er nach dem Besuch der beeindruckenden Fingal’s Cave auf der schottischen Insel Staffa schrieb.
Musikalische Reise
Mendelssohn arbeitete ganze 13 Jahre an seiner Sinfonie Nr. 3, ehe sie 1842 zur Uraufführung kam. Für das damalige Premierenpublikum in Leipzig und die heutigen Konzertgänger*innen besticht die Sinfonie vor allem auch deshalb, weil der Bezug zu Schottland Anlass zu allerhand Vorstellungen «vor dem inneren Auge» gibt. So finden sich darin Elemente, die man als «schottisch» wahrnehmen könnte, wie etwa die Imitation eines Dudelsacks im zweiten Satz oder das Bild einer Schlacht im vierten Satz.
Die mal ernst-melancholischen, bisweilen freudigen und zum Schluss triumphal sich steigernden Klänge vertonen aber kein eigentliches Programm, erzählen keine konkrete Geschichte, sondern bilden musikalisch fein geformte, selbstständige musikalische Gebilde. Schliesslich war sich Mendelssohn der nationalen Wirkung der Sinfonie hingegen wiederum durchaus bewusst. So widmete er sie hochachtungsvoll «Ihrer Majestät der Königin VICTORIA von England».
Text: Lion Gallusser / Franziska Gallusser