Georges Bizet (1838–1875): Suiten Nr. 1 und 2 aus der Oper «Carmen» (Bearbeitung von Ernest Guiraud, 1837–1892)
Es hätte eine grosse Künstlerkarriere werden können, und die musikalische Hochbegabung von Georges Bizet zeigte sich auch bereits früh: Mit vier Jahren konnte er Noten lesen, mit neun wurde er Schüler am Pariser Konservatorium. Schnell machte er mit Auszeichnungen auf sich aufmerksam, darunter besonders durch den Gewinn des renommierten Prix de Rome. Als Pianist und Komponist gelangen ihm dann ein paar kleine Erfolge, doch im Laufe der Zeit verlief sein Leben weniger geradlinig und ihn plagten Geldnöte sowie tiefe Enttäuschungen. Eine ganze Reihe an Bühnenwerken blieb unvollendet oder missachtet. Das sollte sich mit dem Meilenstein «Carmen» ändern, aber Bizet starb am 3. Juni 1875, nur drei Monate nach der Pariser Uraufführung, unerwartet im Alter von 36 Jahren an einem Herzleiden. Den ersehnten Durchbruch als anerkannter Tonschöpfer konnte er nicht mehr geniessen. Denn nach der anfangs lauen Aufnahme durch das Publikum seiner Heimatstadt begann erst mit einer Aufführung an der Wiener Hofoper ihr weltweiter Siegeszug. Bis heute gehört «Carmen» zu den berühmtesten Opern der Musikgeschichte.
Die Oper «Carmen»
Als hätte er es vorausgeahnt, beschrieb Bizet kurz nach Beginn der Komposition einem Freund gegenüber seinen Zustand: «Ich muss produzieren, die Zeit vergeht und ich darf nicht abkratzen, ohne gegeben zu haben, was in mir steckt.» Die Arbeit an der Oper erstreckte sich von 1873 bis 1874. Das Libretto stammt von Henri Meilhac und Ludovic Halévy und geht auf die gleichnamige Novelle von Prosper Mérimée zurück. Alles dreht sich hier, im andalusischen Sevilla, in der Umgebung von Stierkampf, Zigarettenfabrik und Schmugglerei um Carmen: Eine temperamentvolle Frau, die regelmässig den Männern den Kopf verdreht – auch irgendwann dem zunächst nicht wirklich beeindruckten Offizier Don José. Aber Carmen lässt ihn bald wieder eiskalt fallen, da sie ihre Freiheit zu sehr liebt und sich zudem gerade mehr für den rassigen Torero Escamillo interessiert – woraufhin José sie in rasender Eifersucht tötet.
Die Orchestersuiten von Guiraud
Einige Jahre nach Bizets Tod hat der Komponist Ernest Guiraud aus dem vieraktigen Bühnenwerk zwei Orchestersuiten zusammengestellt. Sie warten mit einem schillernden Kaleidoskop an folkloristischen Ohrwurm-Melodien und feurigen Rhythmen mit spanischem Flair auf. Nach dem bezaubernden Vorspiel geht es mit der eingängigen «Aragonaise» gleich hinein in dieses Kolorit. Carmens Verführungskünste sind in der «Séguedille» zu vernehmen. Die aufgepeitschte Atmosphäre der Stierkämpfer beim Einzug in die Arena schildert das populäre Stück «Les toréadors». Auch die zweite Suite vereint auf faszinierende Art und Weise langsame Intermezzi und auftrumpfende Nummern. Bevor die Musik mit einem lebhaften Tanz voller soghafter Wirkung ihrem Ende entgegenwirbelt, sind noch weitere Gassenhauer in die Abfolge eingebaut – darunter das wunderbare Lied des Stierkämpfers Escamillo («Chanson du toréador») und die unverwüstliche «Habanera» von Carmen, deren Operntext in der deutschen Übersetzung diese bedeutungsvolle Aussage enthält: «Die Liebe ist ein widerspenstiger Vogel, den keiner zähmen kann.»