Ludwig van Beethoven (1770–1827): Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19
Komponieren, um zu brillieren
Ein Instrumentalkomponist, der nicht gleichzeitig als Interpret seiner Werke auftrat, war im 18. und 19. Jahrhundert undenkbar. Bedeutende Klavierkonzerte wurden daher fast ausschließlich von Komponisten geschrieben, die zugleich Tastenvirtuosen waren. Man denke an Johann Sebastian Bach oder Chopin – und eben an Beethoven. Gerade zu seiner Zeit zählte das Klavierkonzert zu den wichtigsten Gattungen.
Mozart hat Beethovens Genie frühzeitig erkannt, denn als ihm der Sechzehnjährige eines Tages vorgespielt hat, soll er angeblich gesagt haben: «Auf den gebt acht, der wird einmal in der Welt von sich reden machen!»
Grosser Ruhm
In Wien verbreitete sich Beethovens Ruhm als Pianist rasch und langsam dann auch der des genialen Komponisten.
Allerdings bereitete ihm die zunehmende Taubheit mehr und mehr Sorgen.
Wettbewerbsleben
Am Anfang seiner Karriere war aber noch alles in Ordnung – und Beethoven galt als wahrlich meisterhafter Interpret.
Er bemühte sich auch regelrecht, an den in Wien regelmäßig stattfindenden musikalischen Wettbewerben teilzunehmen, um mit seinen waghalsigen Improvisationen mögliche Konkurrenten auszuschalten.
Davon zeugen einige verblüffende zeitgenössische Berichte.
Künstlerische Visitenkarten
Natürlich benötigte ein so ausgezeichneter Pianist wie Beethoven eigene Werke als seine künstlerischen Visitenkarten – und mit seinen fünf großen Klavierkonzerten verfolgte er zudem gewagt die Vision einer neuen Klavierwelt, was schon im zweiten Werk der Gattung deutlich zu hören ist.
Zunehmend gelang es ihm, seine Vorgänger weit hinter sich zu lassen und den Weg in die bald anbrechende Epoche der Romantik zu ebnen.
Klavierkonzert Nr. 1 oder 2?
Das zweite ist der Geheimtipp unter Beethovens fünf Klavierkonzerten – und eigentlich ist es auch das erste. Denn als im November 1792 in Bonn die Postkutsche für Beethoven bereitstand, hatte er die ersten Skizzen für das Stück im Gepäck.
Und immer wieder, wenn sich eine Aufführungsmöglichkeit bot, nahm er es sich von neuem vor und änderte etwas daran, weil sich sein Stil weiterentwickelte und ihm manches nicht mehr genügte.
Die Verwirrung um die Nummerierung entstand dann nur, weil es als zweites Klavierkonzert unter der Opuszahl 19 veröffentlicht wurde – also erst nach dem C-Dur-Konzert op. 15 .
Fehlende Solostimme
Da Beethoven die Solostimme bei seinen eigenen Auftritten meistens aus dem Gedächtnis spielte oder frei improvisierte, vergass er diese zunächst in der Partitur.
1801 schrieb er daher seinem Verleger Hoffmeister entschuldigend:
«Sie haben Ursache, über mich zu klagen und das nicht wenig. Das einzige geniemäßige an mir ist, daß meine Sachen sich nicht immer in der besten Ordnung befinden, so z.B. war zu dem Konzerte in der Partitur die Klavierstimme meiner Gewohnheit nach nicht geschrieben, und ich schrieb sie jetzt erst, daher sie dieselbe wegen Beschleunigung von meiner eigenen nicht gar zu lesbaren Handschrift erhalten.»
Reinhören
Kompositorisch steht das Werk durchaus noch unter dem Einfluss von Haydn und Mozart – und lässt zuweilen auch Beethovens Humor durchscheinen.
Es beginnt vor Einsatz des Klavieres mit einer unglaublich langen Orchestereinleitung, sodass ein Konzertpublikum möglicherweise an eine Sinfonie denken könnte, wenn es nicht den Flügel auf der Bühne sähe – und einen Pianisten, der sich in dieser Zeit halt irgendwie anders beschäftigen muss.
Doch trotz einiger Anklänge an seine Vorgänger ist in dem Klavierkonzert bereits deutlich Beethovens eigener Stil erkennbar: Im tiefgründigen Adagio entstehen etwa einige Augenblicke der träumerischen Entrückung – die Beethoven als frühen Romantiker erscheinen lassen.
Der junge Feuerkopf wusste genau, was er tat, als er sich eigenwillig mit der Tradition auseinandersetzte. Und so sind in diesem Konzert musikalische Kampfansagen an die bis dato existierenden Konventionen herauszuhören. Im geistreichen Finalsatz gibt es zum Beispiel eine reizende, aber etwas provokante Stelle.
Ein Blick in die Noten
Es lohnt sich durchaus, das Werk einmal anhand der Noten komplett zu verfolgen.