Ralph Vaughan Williams (1872–1958) Konzert für Tuba und Orchester f-Moll
Sie ist gross, in der Regel golden und bringt so tiefe Töne hervor, dass ein ganzer Raum dröhnt und vibriert: die Tuba. Das tiefste aller Blechblasinstrumente entstand um 1835 in Berlin. Dennoch dauerte es noch über 100 Jahre, bis ihr ein eigenes Konzert gewidmet wurde, das all ihre Möglichkeiten hervorkitzelt und präsentiert.
Als dieses Werk entstand, war nicht nur das Instrument verhältnismässig alt – sondern auch sein Komponist: Ralph Vaughan Williams war in seinem 82. Lebensjahr, als er den Schritt wagte und sein Konzert für Tuba und Orchester f-Moll schrieb.
Er verfasste es im Auftrag des London Symphony Orchestra anlässlich dessen 50-jährigen Jubiläums bzw. speziell auch für dessen Solotubisten Philip Catelinet (1910–1995), der es am 13. Juni 1954 unter der Leitung von Sir John Barbirolli (1899–1970) uraufführte.
Strangulierter Wal?
Ein Konzert, bei dem die Tuba der Star ist?
Das kam nicht bei jedem gut an. Auch wenn Vaughan Williams, der 15 Jahre jünger als der rund zwanzig Jahre vor dem Tuba- Konzert verstorbene Elgar war, damals als der grösste lebende britische Komponist angesehen wurde, hielten sich einige Kritiker nicht zurück – und zwar vor allem wegen des Instruments. Sie waren der Meinung, die Tuba sei für virtuose Darbietungen völlig ungeeignet und das Werk klinge «like a whale being strangled by a giant squid» («wie ein Wal, der von einem Riesenkalmar erwürgt wird»).
Auch der Solist scheint im Vorfeld Zweifel gehabt zu haben:
«I really couldn’t appreciatethe idea of the tuba being the center attraction as a soloist on a concerto at an orchestral concert. The tuba was too often connected by the public with what was humorous and ludicrous to be considered seriously a possibility on a concert platform. »
(«Ich konnte mich wirklich nicht mit der Idee anfreunden, dass die Tuba als Solistin im Mittelpunkt eines Konzerts stehen sollte. Die Tuba wurde vom Publikum zu oft mit etwas Humorvollem und Lächerlichem in Verbindung gebracht, als dass man sie ernsthaft als Möglichkeit auf einer Konzertbühne in Betracht ziehen konnte.»)
Imagewandel mit Bravourstück
Vaughan Williams hatte sich jedoch wohl überlegt, wie er die Tuba aus ihrem Dasein als Begleitinstrument sowie von ihrem vermeintlich komödiantischen Anstrich befreien und dafür ins Rampenlicht rücken könnte. Er wollte ein Bravourstück komponieren, das aufzeigt, zu welcher Virtuosität die Tuba fähig ist, und somit mit dem alten Klischeebild des schwerfälligen und «albernen» Instruments aufräumen.
Er brach mit allen Erwartungen, indem er das Instrument in den Ecksätzen (Allegro moderato und Rondo alla tedesca) mit schnellen Läufen und weiten Sprüngen virtuos und vielseitig einsetzte. Im langsamen, lyrischen Mittelteil, der Romanza, demonstrierte er hingegen die Klangschönheit der Tuba. Die Mühe von Vaughan Williams hat sich gelohnt, sein Wunsch ging in Erfüllung: Trotz der negativen Stimmen nach der Uraufführung wurde sein Tuba-Konzert nicht nur zu einem seiner bekanntesten Werke, sondern vor allem auch zu einem wichtigen Repertoirestück für Tuba, das auch andere Komponisten anregte, für das Instrument zu schreiben.
Text: Franziska Gallusser